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Universität der Luft

Edition Poema, herausgegeben von Volker Demuth und Swantje Lichtenstein

Genre: Lyrik
Seiten: 188
ISBN: 978-3-941037-66-3
Bemerkung

EUR 15,00

Anzahl

Ein Gedicht ist etwas, das für sich selber spricht. In diesem Anspruch sammelt sich das Bewusstsein einer unerhörten Eigenständigkeit, die Gedichte von sämtlichen Schreib- und Sprechweisen, mit denen die mediengestützte Kommunikationsgesellschaft vorgeht, unverkennbar abhebt. Ein Anspruch zudem, der sie jeder Beanspruchung enthebt, etwas leisten, verändern, hervorbringen zu müssen, ob bestimmte Gesellschaften, Weltverständnisse oder Gefühle. Nicht gesagt ist damit, dass sie es nicht ohnehin könnten oder können. Aus ihrem Freiheitsgrad jedoch, sich gerade dort von Funktionslasten ab- und Schwere aufzuheben, wo alltags- und geschichtsdienliche Gravität gefordert wird und Existenz schwerfällt, lässt sich die spürbare Faszination gewinnen, die Gedichte seit je bewahrenswert gemacht hat und noch immer auszeichnet.
Dieser Zug antigraver Schönheit ist der Grund, diesem Band, der Gedichte von elf Lyrikern der Gegenwart zusammenbindet, den Titel Universität der Luft zu geben. Es gab Anknüpfungspunkte, entscheidend für das Weitertragen des Wortbilds in dieses Buch ist indessen ein Umstand, durch den es sich unverhofft mit der konkreten empirisch-physikalischen Realität verkoppelt hat.
Als im Frühjahr 2010 der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafiallajökull enorme Staub- und Aschewolken in den Himmel schleuderte, dazu führend, dass in nahezu ganz Europa der Luftraum, dieser Bewegungsraum der global mobilisierten Gegenwart, geschlossen werden musste, da wurde eine neue Einsicht zugänglich: Das Schwebende, Leichte – es bot den höchsten Widerstand. Was nahezu gewichtslos in der Luft lag – Aerosole, Aschen, Feinstpartikel – verdichtete sich auf eine Weise, die nichts an Transparenz einbüßte und doch das mobile, flüchtige Leben weitgehend lahm legte. Keine Mauer, kein Stacheldraht, kein Schießbefehl, der das erreicht hätte.
Dieser Erkenntnis entnehmen wir die Berechtigung, die sprachlichen Schwebeteilchen und lyrischen Kolloide zu einer Universität der Luft zu nehmen, eine aufwirbelnde Leichtigkeit der Worte, die nicht in grundlosen Leichtsinn verfällt, vielmehr die Verse eines Arminus – „und leget die Wolken von Staub / Aufs grüne glänzende Laub“ – Rilke – „dass die Vögel die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug“ - oder Celan – „wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng“– nicht aus dem Gedächtnis verliert. Dennoch: Sprache in einer Subtilität und Feinverteilung, einem schwebenden Verfahren und funktionsstörender Widerständigkeit, die dies lyrische Sprechen – ganz leicht – zu einem politischen Datum macht, losgelöst von der gesellschaftlichen Bodenkontrolle, und die Schwerkraft ihres Trägers, des funktionsbelasteten Körpers, reduziert.
Wie gesagt, ein Gedicht ist etwas, das für sich selber spricht. Dies meint nicht, es sei monologisch. In Wirklichkeit nämlich liegt präzise darin der Grund, weshalb es über sich hinaus, warum es für seine Zeit – und womöglich darüber hinaus – zu sprechen vermag. Was dieser erste POEMA-Band über ein Gespräch über Lyrik hinaus, das ein halbes Jahrhundert überbrückt, beabsichtigt, ist (mit seinen Gedichten) keine Anthologie und (mit seinen Überlegungen zur Lyrik) kein erweitertes Positionspapier, sondern den Beginn einer lyrischen Atmosphäre schaffen, die ist wie das, was wir zum atmen brauchen. Nicht zu einer Arbeitstagung laden wir ein, was wir als Herausgeber zu verantworten haben, entspricht viel mehr der Choreografie einer tour en l´air. Auf diese Weise können sich jene Wortpartikel und Versemissionen verdichten, die allen Flüchtigkeiten und Routinebewegungen Widerstand bieten, leicht, diffus, unfassbar.

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