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Heiner Biedermann

Ein Familien-Fotoalbum

Köln auf dem Weg ins Wirtschaftswunder

Genre: Regionalia, Kunst, Sachbuch
Seiten: 120
ISBN: 978-3-941037-99-1
Bemerkung

EUR 32,50

Anzahl

All photographs are accurate –
None of them is the truth.
R. Avedon

Das ‘Bilder machen’ ist elementare Zivilisationsleistung und beim bewussten Abbilden des Gesehenen findet die geistige Aneignung des Geschehenen statt. Erst der Versuch, sich darüber Rechenschaft abzulegen, was denn da ist&war bringt zu Bewußtsein, was sonst nur ungeordneter Einstrom visueller Informationen ist.
Bei jedem öffentlichen Ereignis kann man heute sehen, wie ein gut Teil der Anwesenden die Handys zückt und damit filmt/fotografiert. Es gibt Untersuchungen, dass diese Bilder im Schnitt 0,7 mal angesehen werden – manche also nie; danach landen sie im digitalen Nirwana. Tablet-Computer haben die Abkehr vom alten Fotoabzug noch beschleunigt. Man lädt die Fotos hoch, und wenn sie nicht schon mit dem Tablet gemacht worden sind; war’s das dann.
So kommt es zu einer völligen Entwertung der Bilder. Alle sind gelangweilt und es bedarf enormer Anstrengung, um zum aufmerksamen Sehen zu verführen. Wer Richtung halten will ist gut beraten, nach hinten zu schauen um zu sehen, woher man kommt. Dann fällt es leichter zu ermitteln, wo vorwärts ist. Wenn man die hier fotografisch festgehaltenen Jahre betrachtet als Betroffener, als jemand, der in den 50gern seine Kindheit verlebte, wird deutlich, wie ‘mechanisch’ diese Zeit war. Für Jüngere ist kaum noch vorstellbar, welch große Rolle das Auto damals spielte. Einige Fotos zeigen die fast naive Freude und den Stolz auf den Wagen. Der ‘Daimler’ gehörte nicht nur bei Schwaben zum Referenzrahmen bürgerlichen Daseins, für den Pater familiae ‘der Gute Stern auf allen Straßen’. Die Frauen hatten fürs Tägliche einen Käfer; auch der wurde in Ehren gehalten und von den Mädels am Wochenende innen&außen sauber gemacht. Und das Nesthäkchen trainierte schon mal mit dem Seifenkistenwagen – oder auf Mutters Schoß im Daimler. Selbstverständlich hatte man am 18. Geburtstag seinen Führerschein. Man hätte sich ja nicht mehr unter seine Altersgenossen getraut ohne den ‘Lappen’…
Wenn man sich auf diese Fotos einläßt, fällt dem Zeitgenossen zu jedem Bild eine Fülle von Eigenem ein. Bei einigen Bildern haben wir dieser Versuchung nachgegeben, bei anderen bleibt es dem Betrachter überlassen, sich seine eigene Geschichte dazu zu denken.
Manches ist sehr rheinisch – die Bilder zum Karneval – anderes katholisch, wie die Fotos von Frauenwallfahrt und Monstranz-tragenden Jungen. Die schon erwähnte Gruppe der Auto-Bilder ist zwar zeitgebunden, aber ortsunabhängig, wie die Fotos vom Picknick im Grünen oder die mit den diversen Interieurs.
Wer diese Zeit nicht (wenigstens als Kind) mitgemacht hat kann sich heute nicht mehr vorstellen, wie rigide in der BRD der Adenauer- Jahre gedacht und gelebt wurde. So kann man an diesen Zeitdokumenten Bilder lesen lernen und sich gleichzeitig erinnern, welch weiten Weg wir seit den Wirtschaftswunderjahren gegangen sind.

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